- oktroyierte Verfassung
- oktroyierte Verfassung[ɔktroa'jiːrtə -, französisch], Bezeichnung für eine einseitig vom Staatsoberhaupt gegebene Verfassung, v. a. für 1) die am 5. 12. 1848 von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen verkündete, bis 1918 im Wesentlichen gültige preußische Verfassung, die einerseits restaurative Tendenzen besaß, andererseits aber wesentliche Grundsätze und ganze Passagen des von den Liberalen in der preußischen Nationalversammlung vorgelegten Verfassungsentwurfs aufnahm. Sie sah ein Zweikammersystem vor, erklärte bestimmte Bürgerrechte (u. a. allgemeines, doch nicht gleiches Wahlrecht) und machte die Kammern neben der Krone zum entscheidenden Faktor der Gesetzgebung; 2) die am 4. 3. 1849 von Kaiser Franz Joseph I. verkündete Verfassung (»Märzverfassung«) für das Kaisertum Österreich, die gegen das Verfassungsprojekt des Reichstags von Kremsier sowie gegen die Frankfurter Nationalversammlung und ihre Reichsverfassung (erst am 27./28. 3. 1849 verwirklicht) gerichtet war. Die von F. Graf Stadion entworfene Verfassung sah unter Wahrung der kaiserlichen Autorität, des Vorrangs der Reichsgewalt über die Kronländer und unter Gleichstellung der Nationalitäten einen direkt gewählten Reichstag vor und führte in beschränktem Umfang bürgerliche Grundrechte ein. Sie wurde jedoch am 31. 12. 1851 (Silvesterpatent) widerrufen.
Universal-Lexikon. 2012.